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Di, 14:34 Uhr
07.12.2021
Wirklich keine Lohnfortzahlung für Ungeimpfte!?

Rechtliche Aspekte zur Vergütung in der Pandemie

Die aktuelle Coronasituation führte bereits zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit weitreichenden Folgen für Mitarbeiter, welche sich in Quarantäne befinden, jedoch noch nicht vollständig gegen das Covid-19-Virus geimpft wurden. Doch ist es tatsächlich so einfach: Jeder Ungeimpfte in Quarantäne erhält kein Lohn? Eine Nordhäuser Kanzlei geht der Sache auf den Grund...

Hält die Verweigerung einer Lohnfortzahlung Ungeimpfter den bestehenden Gesetzen stand? (Foto: Koch&Boikat) Hält die Verweigerung einer Lohnfortzahlung Ungeimpfter den bestehenden Gesetzen stand? (Foto: Koch&Boikat)
In der Kanzlei Koch & Boikat haben sich die Arbeitsrechtler Michael Koch und Stephanie Has zur Aufgabe gemacht, darzustellen, unter welchen Voraussetzungen ein Entgeltfortzahlungsanspruch tatsächlich erlischt.

1. Ausgangspunkt - bisherige Gesetzeslage bei Quarantäne von Beschäftigten
Ordnet die zuständigen Gesundheitsbehörde Quarantäne für potenziell infizierte Personen an, so wurde bis zum 01. November nicht danach unterschieden, ob die sich in Quarantäne befindenden Personen geimpft oder ungeimpft sind.

Beschäftigte, welche aufgrund der behördlichen Anordnung ihre bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, hatten unabhängig von ihrem Impfstatus einen Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 56 IfSG, welcher jedoch vorab durch den Arbeitgeber auszuzahlen ist. Der Arbeitgeber macht den Entschädigungsanspruch des Beschäftigten bei der zuständigen Behörde geltend und bekommt dann eine entsprechende Erstattung.

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2. Änderung des § 56 Abs. 1 IfSG seit dem 01.11.2021
Aufgrund der Änderung des § 56 IfSG hat der Gesetzgeber jedoch nun zwischen geimpften und ungeimpften Beschäftigten unterschieden. Die Gesundheitsminister haben sich auf am 22. September 2021 auf eine einheitliche Anwendung der Regelung dahingehend geeinigt, dass spätestens ab dem 1. November 2021 dies auch in Bezug auf eine fehlende Schutzimpfung gegen COVID-19 gelten wird, wenn Personen als Kontaktpersonen oder Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet von einem wegen COVID-19 angeordneten Tätigkeitsverbot oder Absonderungsgebot betroffen werden und sie keinen vollständigen Impfschutz mit einem vom Paul-Ehrlich-Institut „zugelassenen Impfstoff“ vorweisen können.

Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Entschädigung ist, dass eine Person als Infizierter, Ansteckungsverdächtigter etc. verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterworfen ist und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.

Der Antragstellende muss Betroffener eines beruflichen Tätigkeitsverbots oder der behördlichen Anordnung von Quarantäne sein. Die Bekämpfung des Coronavirus erfolgt derzeit insbesondere durch Absonderung von Personen, die Kontakt zu einer an Covid-19 erkrankten Person haben über einen Quarantänebescheid des Gesundheitsamts.

Die genannten Maßnahmen müssen darüber hinaus von den jeweils zuständigen Landesbehörden (vgl. § IfSG § 54 IfSG) angeordnet werden, um mit Erfolg einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen zu können.
Betroffene die sich allein auf Weisung des Hausarztes oder aufgrund allgemeiner Empfehlung in Selbstisolation begeben haben dagegen keinen Anspruch auf Entschädigung. So empfehlen die zuständigen Behörden bei Auftreten bestimmter Symptome sowie im Fall eines Kontakts zu einem nachweislich Erkrankten oder der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht nur die Durchführung eines Tests, sondern – bereits vor Bekanntgabe des Testergebnisses – auch die Selbstisolation in der eigenen Wohnung, um eine mögliche Weitergabe des Virus zu verhindern. Auch wenn wegen der Gefährlichkeit des neuartigen Virus sowie seiner rasanten Ausbreitung und der leichten Übertragbarkeit der Empfehlung in der Regel Folge geleistet werden dürfte, basiert sie doch auf Freiwilligkeit der Betroffenen.

Beschäftigte, die im Zeitpunkt der Quarantäne keine Covid-19-Schutzimpfung in Anspruch genommen haben, haben keinen Erstattungsanspruch.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist es entscheidend, ob eine Schutzimpfung öffentlich empfohlen, oder gesetzlich verpflichtend festgelegt wurde. Da gegenwärtig eine öffentliche Empfehlung zur Durchführung der Covid-19-Schutzimpfung besteht, ist dieser Tatbestand für ungeimpfte Beschäftigte, die in Quarantäne müssen, relevant. Nur dann, wenn die Durchführung einer Schutzimpfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, bleibt der Erstattungsanspruch erhalten. Hier muss allerdings eine eindeutige medizinische Kontraindikation gegen eine Schutzimpfung sprechen. Dies ist durch den Beschäftigten im Rahmen des Antragsprozesses zu belegen.


3. Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB?
Der allgemeine arbeitsrechtliche Grundsatz besagt: Ohne Arbeit, kein Lohn!

Allerdings werden von diesem Grundsatz Ausnahmen gemacht etwa bei der Entgeltfortzahlung bei Krankheit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (dies ist allerdings bei Quarantäne nicht einschlägig); ebenso sieht das BGB in § 616 S. 1 eine Regelung vor, dass Arbeitnehmer in bestimmten Fällen, in denen die Arbeitsleistung aus persönlichen Gründen unverschuldet nicht erbracht werden kann, ihren Arbeitsvergütungsanspruch behalten.

So heißt es konkret in § 616 S. 1 BGB:
„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“

Die behördlich angeordneten Quarantänemaßnahmen führen dazu, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Eine persönliche Verhinderung im Sinne des Gesetzestextes wäre damit gegeben.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütungsfortzahlung bei anderweitiger persönlicher Verhinderung als Krankheit nach § 616 BGB scheitert aber häufig daran, dass in vielen Arbeitsverträgen und auch in Tarifverträgen die Anwendung des § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen oder abbedungen wurde. Ist eine solche Regelung in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen enthalten, kommt ein Anspruch des Ungeimpften in Quarantäne befindlichen Arbeitnehmers auf Vergütungsfortzahlung gegen den Arbeitgeber ohnehin nicht in Betracht.

Fehlt aber eine solche die Wirkungen des § 616 BGB ausschließende Regelung, wäre § 616 BGB also weiterhin anwendbar, müsste geprüft werden inwieweit auch der von Quarantäne erfasste Ungeimpfte darunterfällt.

Es stellt sich daher als erstes die Frage wann ist von einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit auszugehen.

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in der Ausarbeitung „Ausschluss Ungeimpfter von der Entschädigung nach § 56 IfSG – einfach gesetzliche und verfassungsrechtliche Beurteilung“ vom 20.09.2021 eine Auswertung von Literatur und Rechtsprechung zu der Frage des Zeitraums vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Regel bei einer Überschreitung von 5 Tagen die Erheblichkeitsschwelle des § 616 BGB überschritten ist, mit der Folge, dass dann ein Arbeitnehmer einen solchen Anspruch gegen den Arbeitgeber nicht hat. Da es aber, wie oben bereits ausgeführt eine umfangreiche auch aktuelle Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gibt, die diesen Zeitraum aktuell durchaus im monetären staatlichen Interesse deutlich ausweiten, müssen erst einschlägige arbeitsgerichtliche Entscheidungen abgewartet werden, bis diese temporäre Thematik feststeht.

Im Ergebnis ist wohl eine einzelfallorientierte Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, welche neben dem Lohnrisiko und der Entgeltfortzahlung auch die Dauer des Beschäftigungszeitraums berücksichtigt.

Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob die angeordnete Quarantäne eines ungeimpften Arbeitnehmers schuldhaft verursacht wurde.

Auch hier gehen die Meinungen stark auseinander. Auf der einen Seite wird mit den derzeitigen Impfdurchbrüchen dahingehend argumentiert, dass sich ebenfalls ein geimpfter Arbeitnehmer in Quarantäne bzw. behördlich angeordneter Isolierung befinden kann bzw. nicht davor geschützt ist, sich mit dem Covid-19-Virus zu infizieren und zu erkranken. Es kann nach dieser Ansicht nicht sichergestellt werden, dass eine auf Grund der derzeitig zugelassenen Schutzimpfungen ein geimpfter Arbeitnehmer nicht erkrankt oder zumindest positiv getestet wird.

Insbesondere so lange keine gesetzliche Impfpflicht vorliegt, ist es die freie Entscheidung jedes einzelnen bislang lediglich empfohlene Schutzimpfungen wahrzunehmen. Gerade grundrechtliche Erwägungen könnten daher gegen einen Verschuldenstatbestand sprechen.

Auf der anderen Seite sprechen sich die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für ein klares Verschulden aus und beziehen sich auf den Wortlaut des § 56 Abs. 1 IfSG.

Der Wortlaut der Norm lautet schlichtweg „hätte vermeiden können“. Da Impfungen jedoch nie zu 100 Prozent wirksam sind, kann dies nicht der Maßstab des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG sein.

Die Gesetzesmaterialien enthalten keine ersichtlichen Ausführungen zum Maßstab des Vermeidbarkeitskriteriums. Dem BMG zufolge dürfte jedenfalls eine „mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ genügen. In Teilen der juristischen Literatur heißt es, eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit könne kaum angesetzt werden, da Impfungen eine solche Sicherheit regelmäßig nicht erreichen könnten. Verlangt sei aber zumindest eine „hohe Wahrscheinlichkeit“.

Weiterhin spricht sich die ständige Impfkommission ausdrücklich für eine Impfung gegen das Covid-19-Virus aus.

Wir erwarten, jedoch dass die Rechtsprechung sich vermutlich bei Prüfung der Frage des Verschuldens an dem § 56 I IfSG orientieren wird, wonach entscheidend ist, ob durch eine Schutzimpfung die Verhinderung und damit die Quarantäneanordnung hätte vermieden werden können und damit die Wahrscheinlichkeit deutlich gesenkt wird.

Auch hier ist im Zweifel eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, da insbesondere auch Kriterien wie ein Freitesten in der Quarantänezeit mit zu berücksichtigen sind. So hat ein Geimpfter immer die Möglichkeit, sich während einer angeordneten Quarantäne nach 5 Tagen frei zu testen, sodass auch geimpfter Arbeitnehmer sich maximal 5 Tage in angeordneter Quarantäne begeben müssen. Auch sollte die weitere Entwicklung berücksichtigt werden, so dass Mutationen des Corona-Virus den Impfschutz deutlich herabsenken können, sodass auch die bislang zur Verfügung stehenden Schutzimpfungen eine Erkrankung nicht verhindern können.

Von einem klaren Verschulden hingegen ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer in ein Risikogebiet reist und nach der Rückkehr in Quarantäne muss. Hier ist aufgrund der bewussten Inkaufnahme der nachträglichen Quarantänemaßnahmen von einem Verschulden auszugehen.

4. Fazit
So klar wie es bislang aus der Presse zu entnehmen ist, dass ungeimpfte Arbeitnehmer keinen Entgeltfortzahlungsanspruch haben, ist es in der Tat nicht. Wurde der § 616 BGB arbeitsvertraglich ausgeschlossen, so ist dem Grundsatz zu folgen, ohne Arbeit kein Lohn, sodass ein Ungeimpfter, welcher sich in angeordneter Quarantäne befindet tatsächlich auch keinen Lohnanspruch hat.

Sollte hingegen der § 616 BGB nicht ausgeschlossen sein, so kann man sich aufgrund der bislang fehlenden Rechtsprechung darüber streiten, ob die Nichtinanspruchnahme einer Schutzimpfung und die daraufhin angeordnete Quarantäne einen Verschuldenstatbestand auslöst. Weiterhin streitig dürfte auch die Länge der Entgeltfortzahlung sein.

Autor: red

Kommentare
Kritiker2010
07.12.2021, 19.44 Uhr
Die Legislative baut Stolperfallen - zum Preis eines Dinners im Kanzleramt
Die Argumentation geht immer davon aus, dass Arbeitnehmer in Quarantäne irgend eine Schuld daran tragen. Die Frage der Schuld dürfte aber wohl mehr in der Infektionskette zu suchen sein, als bei den (oftmals) gesunden Personen in Selbstverwahrung.

Reduziert man die ganze Betrachtung auf die geltenden Zugangsregeln in Unternehmen, können ungeimpfte Arbeitnehmer nicht glaubwürdig schlechter gestellt werden, da sie im Rahmen der geltenden Gesetzte handeln und zudem das geringere Infektionsrisiko tragen.

Umgekehrt wäre auch zu klären, ob ein Quarantäne-Opfer Rechtsansprüche gegen den Verursacher hat, z.B. weil sich dieser nicht getestet hat und somit die Betriebsstörung, die Quarantäne und ggf. Erkrankungen anderer schuldhaft verursacht hat.

Es stellt sich zudem die Frage, inwiefern die neuen einschlägigen Rechtsnormen überhaupt Bestand haben können, da sie auf falschen Grundannahmen fußen und zudem immer wieder auch ideologisch begründet werden.

Zum Glück haben einige Arbeitgeber erkannt, dass diese Regelungen vor Allem den Betriebsfrieden gefährden und haben Ihren Mitarbeitern die Lohnfortzahlung bei Quarantäne weitgehend zugesichert. Das nennt man dann Solidarität!
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