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Sa, 06:00 Uhr
06.07.2019
Die Bösen und die Guten des Magazins „exakt“

Von Staubwolken und halben Wahrheiten

In den zurückliegenden Tagen wurde im Heimatfernsehen, dem mdr, ein interessanter Beitrag über den Südharz ausgestrahlt. Konkret waren die Journalisten und Redakteure für das Nachrichtenmagazins „exakt“ in der Region unterwegs. Was sie da zusammentrugen, wurde in einen siebenminütigen Beitrag gepackt…


Nun liegt es mir fern, Kollegenschelte zu betreiben, noch dazu jenen vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, der immer noch genügend Geld und Personal vorhält. Doch was da in dieser Woche abgeliefert wurde, ist für mein Verständnis "merkwürdig", dass ich mir einige Bemerkungen nicht ersparen kann.

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Schaut und hört man sich diesen Beitrag an, kann man auf den Gedanken kommen, dass schon vor der Reise in den Südharz klar war, welche Ausrichtung, welche Intention, welches Ergebnis bezweckt wurde. Und so wurde denn vermutlich auch recherchiert, interviewt, wurden Szenen gestellt, Sequenzen aus Imagefilmen entnommen und zum Schluss geschnitten und produziert. Den Kollegen war vermutlich von vornherein klar: die Gipsindustrie ist das Böse unter der Südharzer Sonne, die alles und jeden kaputtmacht, zerstört und trotzdem nicht mehr Arbeitsplätze bereitstellen will.

Kommen wir zu den Fakten und das sind zum Beispiel die Zeiten, die man Interviewpartnern einräumt, egal wie lang das Rohmaterial ist. Den „Kämpfern“ gegen die Gipsindustrie, die Herren Basler und Erfurt, wurden im Endprodukt rund 80 Sekunden O-Ton eingeräumt, Knauf-Betriebsleiter Materlik konnte in etwas mehr als 15 Sekunden Argumente konstatieren.

Und wenn O-Töne, höchstwahrscheinlich gestellte Gespräche mit einer jungen Familie oder das Suggerieren von weniger Patienten der Neustädter Lungenklinik nicht ausreichen, dann kommen Mutmaßungen über Staubwolken, über Entfernungen der Tagebaukante zum Nordhäuser Ortsteil Stempeda hinzu. Ja, in dem Planfeststellungsverfahren, das Knauf anstrengt und das einen Flächentausch vorsieht, rutscht die Tagebaukante näher an den Ort ran. Aber, sie rutscht – topografisch betrachtet – in ein Tal und alle Fachleute wissen, dass dadurch weniger Staub nach Stempeda ziehen würde. Das wird nicht gesagt.

Dafür hört man die Sprecherin aus dem Off von „weiteren Bewohnern“ des Ortes reden (stand aber keiner vor der Kamera), dann erweist sich Bürgermeister Dirk Erfurt als Geologe, der „poröse Deckschichten“ einstürzen sieht und sich letztlich zu der Aussage erdreistet, dass der Tourismus in Neustadt mehr Arbeitsplätze schaffen kann als die Gipsindustrie.

Hier hätten die Kolleginnen und Kollegen des mdr durchaus mal genauer recherchieren können. Denn die touristischen Zahlen für Neustadt sind eigentlich verheerend, trotz eines doppelten Kurort-Status und trotz des Fakts, dass Neustadt nicht von Gipstagebauen umzingelt ist.

Ein Blick auf die Seiten des Landesamtes für Statistik hätte genügt. Kamen im Jahr 2002 noch rund 10.000 Gäste in Neustadt an und brachten rund 48.000 Übernachtungen mit, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 16.000 Übernachtungen von etwas mehr als 4.000 Gästen. Das sind – rein statistisch gesehen – 11 Gäste pro Tag. Und nur mal so am Rande: diesen rasanten Abwärtstrend gab es auch ohne dass nur ein Quadratmeter Gipstagebau rund um Neustadt gebuddelt wurde.

Rein zufällig deckt sich dieses mathematische Ergebnis aber auch mit den Aussagen eines Mediziners in einer Thüringer Tageszeitung, der seine einstige Prognose aus dem Jahr 2013 von der Behandlung von jährlich 1.000 chronisch kranken Frauen und Männern auf 10 bis 15 tatsächliche Patienten leicht nach unten korrigieren musste.

Fakt ist weiterhin, dass mit dem Wegbleiben von Touristen und Hotelgästen natürlich auch die Arbeitsplätze zurückgegangen sind. Auf der anderen, der bösen Seite des Südharzes hingegen, wurde in den zurückliegenden 20 Jahren zum Beispiel in Rottleberode bei Knauf die Zahl der Arbeitsplätze fast verdoppelt. Und Fakt ist auch, dass die Hälfte der aktuell rund 250 Frauen und Männer, die „im Gips“ einen tariflich bezahlten Arbeitsplatz finden, aus dem Landkreis Nordhausen, zum Beispiel auch aus Stempeda kommen. Auch das gehörte eigentlich in den Beitrag von „exakt“, hätte aber die bezweckte Intention gestört.

Vielleicht haben die Herren Basler und Erfurt aber für diese Männer und Frauen aus dem Südharz, die bei Knauf arbeiten, in den kommenden Jahren einen neuen Arbeitsplatz im künftigen Kurmittelhaus in Neustadt.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Kommentare
Psychoanalytiker
06.07.2019, 10.10 Uhr
Lügenpresse und Meinungsmanipulation
Lieber Herr Greiner, die "Öffentlich-Rechtlichen", zu denen nicht nur der "Heimatsender mdr" zählt, gehört schon länger zu den Medien, die von vielen Menschen allgemein als "Lügenpresse" bezeichnet wird. Genau so, wie Sie es beschreiben, empfinde ich es auch. Nur wer zu DDR-Zeiten "Agitation und Propaganda", z.B. in der FDJ oder in der NVA (wer's nicht erlebt hat: in der Nationalen Volksarmee) am eigenen Laib erleben "durfte", kann es wirklich nachvollziehen. Vorgefertigte Meinungen werden so lange verbreitet und in die Köpfe eingehämmert, bis auch "der Letzte" es glaubt. Aber auch Halbwahrheiten sind zumindest für mich Lügen. Auch damals bei "Chemnitz" war die Meinung der Medienvertreter vorgefertigt. Frau Merkel sprach von "Hetzjagden" und da konnte es nicht sein, dass man dieser Frau widersprach, obwohl es vielleicht doch keine "Hetzjagden" gab. Auch der inzwischen schon bösartige Kampf des mdr gegen den Kabarettisten Steimle, der nur "ausspricht", was er denkt, gehört für mich in dieses Bild.

Danke, Herr Greiner für Ihre hier ehrlich dargestellte Auffassung!!!
Bodo Schwarzberg
06.07.2019, 10.22 Uhr
deutliche Mehrheit ist gegen Gipsabbau...
...das zumindest brachte vor einiger Zeit eine nnz-Umfrage sehr deutlich zum Ausdruck. Und das ist der nnz-Redaktion natürlich bekannt. Es gibt unzählige ökologische Fakten, wissenschaftliche Literatur, ja auch (sich allerdings mitunter widersprechende) Publikationen der Gipsindustrie, die die negativen ökologischen Folgen und die Schwierigkeiten herausstellen, den angerichteten Schaden uch nur einigermaßen wieder "gutzumachen".

Zudem bitte ich die nnz, sich einmal mit den genauen Plänen des Flächentauschs im Alten Stolberg zu befassen und Stellungnahmen von Fachleuten dazu zu lesen. Dann wird sie erkennen, dass es mit der Sinnhaftigkeit des Flächentausches nicht mehr soweit her ist. Dies betrifft insbesondere die Flächengröße, die Flächenlage der von Knauf angebotenen Austauschflächen, die ungeklärten Einflüsse eines Gebietstausches auf das umgebende Naturschutzgebiet (vor allem hinsichtlich von dessen Wasserhaushalt) und weiteres. Ich bitte die nnz, hier genauer zu recherchieren.

Das ist das eine. Das andere ist die saubere journalistische Arbeit des mdr. Sind die Fakten so, wie Herr Greiner hinsichtlich Tourismusentwicklung und Mitarbeiterzahlen im Gips recherchiert hat, und im mdr waren die Zahlen nachweislich falsch, dann muss der mdr kritisiert werden. Dasselbe gilt für die Dauer von Interviews mit Anhängern und Gegnern des Gipsabbaus.

Beide Beiträge jedoch, der im Fernsehen und der in der nnz, dürften jedoch ebenso wie alle über den leidigen Gipsabbau, nicht zu einer Imageförderung für den Südharz beigetragen haben.

Und am Ende werden es die ökologischen Fakten sein, die uns alle auf de Boden der Tatsachen bringen werden. Wir sehen es am Klimawandel mit all seinen Folgen. Niemand kommt mehr daran vorbei. Wir brauchen die Wälder dringender dennje, Gipsabbau ist nicht waldfreundlich, die Gipswirtschaft sollte sich daher weiterhin nach Alternativen zum Naturgipsabbau umsehen.
Niemand will sie loswerden. Ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor ist unbestritten. Es geht nur um das vielbeschworene Nebeneinander von Ökologie und Ökonomie. Und das ist, siehe z.B. die unbeholfenen oder fehlenden, dem Artenschutz tatsächlich gerecht werdenden Renaturierungsversuche, bislang nicht in Sicht.
Sven Svenson
06.07.2019, 10.41 Uhr
Respekt,
endlich einmal objektiver Journalismus.
Leser X
06.07.2019, 11.13 Uhr
Was hat Vorrang?
Ich bin auch der Überzeugung, dass unsere Staatsmedien ihren Auftrag für eine ganz bestimmte Berichterstattung erfüllen und uns nicht wahrheitsgemäß Informieren. Aber darum geht es bei diesem Beitrag nicht ausschließlich.

Was mich viel mehr noch bewegt, ist die Zerstörung unserer Umwelt durch uns nimmer satte Menschen und einer Wirtschaft, die uns Nimmersatte immer weiter füttert. Ehe alle merken, dass man Geld nicht fressen kann, ist es zu spät. Für mich ist dieser Beitrag zu wirtschaftslastig. Und hofiert wird er einmal mehr zum Teil von AfD-Verehren, die ja bekanntlich gerne den Leugnern des Klimawandels zugeneigt sind.
Vogelfänger
06.07.2019, 11.34 Uhr
"...höchstwahrscheinlich gestellte Gespräche.."
Höchstwahrscheinlich ist kein Fakt sondern ein Gerücht oder Verschwörungstheorie. Dem mdr Team wird vorgeworfen, was man selbst tut. Der Artikel eines "Kämpfers" für die Gipsindustrie. Gipslobbyismus in Reinkultur.

Und die sinkenden Zahlen im Tourismus lassen sich leicht erklären. Touristen, die während ihres Aufenthaltes auf Gipstagebaue und nicht renaturierte Restlöcher stoßen, kommen nicht wieder. Ich mache ja auch nicht Urlaub in der Braunkohle.
Treuhänder
06.07.2019, 12.38 Uhr
Guck, Guck
Ganz klar, dass hier von Ihnen sofort diskreditiert wird. Es ist nur komisch, dass in diesem Medium auch kritische Meinungen zugelassen werden, wie übrigens jede von ihnen. Im Übrigen, wir leben in einem Rechtsstaat und da entscheiden am Ende auch beim Gips die Gerichte. Die haben in den zurückliegenden 30 Jahren immer für die Wirtschaft entschieden. Mitunter war die Prozesslage so eindeutig, dass Kommunen von sich aus auf die nächste Instanz verzichtet haben. Genug Steuergelder hatten sie in den Verfahren ja schon ausgegeben. Diese Form des Rechtsstaates muss Ihnen, Guck-chen wohl überhaupt nicht gefallen. Und wenn Sie ein wenig ruhiger leben wollen, dann bleiben Sie doch beim Mainstream oder von mir aus auch indymedia.
Andreas Dittmar
06.07.2019, 12.46 Uhr
Idee
Sehr guter Beitrag Herr Greiner. Vielleicht könnte man hier mit Hilfe von NNZ-TV eine wesentlich bessere Reportage machen als die ÖR. Die NNZ steckt nicht nur viel länger und tiefer in dem Thema drin, sondern hat aus meiner Sicht auch bessere Connections zu den Akteuren. Durch die Ortskenntnis ist da mit Sicherheit auch besseres Bild und Videomaterial drin.


Mir ist es zwar auch lieber, wenn die Landschaft gar nicht erst zerstört werden muss. Vielleicht ist es trotzdem eine Überlegung wert, in Teilen von stillgelegten Abbauflächen Motocross zu betreiben. So eine Anlage hat natürlich auch negative Aspekte, wie Lärm und Staub . Da muss man mit sich im Vorfeld mit den Anwohnern an einen Tisch setzen und die Möglichkeiten abwägen.
Leider sehe ich es auch oft, dass Offroadler durch Rodishain Richtung Hainfeld brettern. Diese Dinge könnte man dann vielleicht abstellen.
Psychoanalytiker
06.07.2019, 15.41 Uhr
Lieber Kommentator, guck an
Sie fahren nicht in die Braunkohle? Sollten Sie aber, denn es sind dort fast überall wunderschöne, blühende Landschaften drauß' geworden. Landschaften in Deutschland, die so herrliche Erholung bieten, dass Sie und alle anderen Traumtänzer a'la DIE GRÜNEN nicht mehr im Flugzeug fliegend oder im Traumschiff schippernd ihren Urlaub antreten und mit Feinstaub oder CO2 diese Erde vernichten, gleichzeitig aber die Welt angeblich verbessern wollen.

Und Dank an die "Daumen-runter-Koalition", zeigt es mir doch, warum es in Deutschland Menschen gibt, die nicht begriffen haben, was "Agitation und Propaganda" bedeuten und anrichten. Schlagt mal sicherheitshalber bei Google nach ...
Demokrit
06.07.2019, 18.54 Uhr
Das im Bau befindliche Kurmittelhaus
kommt natürlich ohne Gips aus, sicher auch ohne Ton für Dachziegel, sicher braucht man auch kein Zement, weil da auch Kalkstein abgebaut werden muss, und auch Ziegel aus gebrannten Ton gehen schon gar nicht wegen der CO2-Emission. Ach und Bruchsteine kommen von wo her? Doch nicht etwa aus einem Tagebau? Man kann das jetzt noch weiter ausführen ....Baustahl usw.
Landarbeiter
06.07.2019, 19.50 Uhr
Das Problem mit dem Kurmittelhaus
ist viel größer, als Sie es hier "beleuchten" at Demokrit. Das ganz große Problem nach allgemeiner Ursachenanalyse seid ihr Gipsfans für den Kurort. Denn wenn ihr da so weiter "wirtschaftet" wie bisher, brauchen die gar kein Kurmittelhaus und könnten sich den Zement sparen.
root packer
06.07.2019, 20.36 Uhr
Politik war...
Politik war und wird immer eine H..e sein! Egal wer hier einen Kommentar abgibt, oder Daumen "rauf", "runter".
Mehr kann man zu den Themen, die zur Zeit die ganze Bevölkerung verrückt machen NICHT mehr sagen, bzw. schreiben!!! Nur noch absolut lächerlich!!!

PS: An alle super Weltretter...woher kommt eigentlich die ganze Erde zur Rekultivierung der Karstlandschaften in unserer Gegend?
Na...genau, die wird von dem Erdaushub "Stuttgart 21" mit massenhaften Aufwand und auf Kosten des Steuerzahlers nach NDH und Umgebung gekarrt!

Touristenzahlen sinken, dass ich nicht lache!!! Schaut euch mal diese versunkene Infrastruktur in NDH an, diese durch politische, die durch Jahrzehnte gemachten Fehler vollkommen versumpft ist.
Nur alleine diese verfehlte Verkehrspolitik ist schon eine der größten Lachnummer, die ich als Hausbesitzer in der Innenstadt so etwas von jämmerlich finde.
Und ihr wollt mir etwas über Umweltschutz erzählen??? Arroganz und Ignoranz war schon immer der Untergang einer Hochkultur!!!
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