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Ministerpräsidentenkonferenz tagte mit Kanzlerin Merkel

Schluss mit lustig für Ungeimpfte

Dienstag, 10. August 2021, 17:43 Uhr
In Berlin tagte heute wieder einmal die Ministerpräsidentenrunde mit der im September scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel. Neben den Hilfen für die Flutopfer in Westdeutschland wurden vor allem die Beschlüsse zur „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ angesichts des grassierenden Corona-Virus mit Spannung erwartet…

Kuppel des Reichstagsgebäudes: Sitz des Deutschen Bundestages (Foto: oas) Kuppel des Reichstagsgebäudes: Sitz des Deutschen Bundestages (Foto: oas)

Bereits vor dem Treffen kursierte in der Öffentlichkeit eine Beschlussvorlage aus dem Kanzleramt, in der zwei Kernforderungen aufgemacht wurden: Erstens, die kostenlosen Corona-Tests sollen im Herbst beendet werden. Geimpfte und Genesene müssen sich dann nicht mehr testen lassen, für die Ungeimpften endet nun am 11.Oktober diese subventionierte Test-Möglichkeit. Danach müssen sie zum Besuch von Restaurants, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Fitnessstudios, Veranstaltungen jeder Art in Innenräumen, Friseur, anderer körpernaher Dienstleistungen etc. einen frischen Test vorweisen, um am öffentlichen Leben weiter teilhaben zu können.

Diesen Test müssen diese umgeimpften Menschen dann selbst bezahlen. Das Bundeskanzleramt begründet diese drastische Maßnahme so: „Die kostenlosen Bürgertests haben einen wichtigen Beitrag geleistet, um die dritte Welle der Sars-CoV2-Pandemie in Deutschland zu unterbrechen. Da mittlerweile allen Bürgerinnen und Bürgern ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden kann, ist allerdings eine dauerhafte Übernahme der Kosten für alle Tests durch den Bund und damit den Steuerzahler nicht angezeigt.“

Ausnahmen zur Regel wird es für Schwangere, Kinder, Jugendliche und solche Menschen geben, die aus nachweislichen Gründen nicht geimpft werden können.

In Innenräumen muss von Ungeimpften ein Test nachgewiesen werden, wenn die Inzidenz in der Gebietskörperschaft (also dem Messgebiet) auf über 35 gestiegen ist. Die Länder können diese Abstimmung nach Gutdünken noch verschärfen oder relativieren, wenn sie mit anderen Faktoren (siehe zweitens) in Verbindung gebracht werden.

Zweitens: Die umstrittene Inzidenzzahl mit den Tests auf PCR-Basis als bisher einziges Bewertungskriterium der Pandemielage soll nun in den Gebietskörperschaften mit der dort erreichten Impfquote und der Zahl schwerer Verläufe bzw. Krankenhausaufenthalten Infizierter korrelieren. Wie genau die Berechnung erfolgen wird, konnte heute noch nicht gesagt werden. Außerdem wollen Bund und Länder diese Indikatoren „genau beobachten und sich auf weitere Maßnahmen verständigen, falls die Anstrengungen beim Impfen und Testen nicht ausreichen, um das weitere Infektionsgeschehen zu kontrollieren“.

Und schließlich wurde drittens beschlossen: Die am 1. September eigentlich endende „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ soll nach dem Willen der Bundeskanzlerin von den Mitgliedern des Deutschen Bundestags am 7. September um weitere drei Monate verlängert werden. Dabei geht es hauptsächlich um die Legitimierung der Fortsetzung von allgemeiner Maskenpflicht und der bestehenden Kontaktbeschränkungen.

In der anschließenden Pressekonferenz warb die Bundeskanzlerin mehrfach eindringlich dafür, dass sich die Deutschen impfen lassen sollen. Heute sind es genau 55,1 Prozent der Bevölkerung, die doppelt geimpft sind. Zu wenig, meint das Regierungsoberhaupt und beklagt das Nachlassen des Impftempos. „Wir haben weniger Infektionen, wenn wir mehr geimpft haben“, beschwört sie.

Berlins Regierender Bürgermeister Müller fasst die Lage mit den Worten „Impfen, impfen, impfen!“ zusammen. „Wer das Impfangebot nicht annimmt, kann nicht davon ausgehen, dass er dauerhaft von der Solidargemeinschaft finanziert wird. Er braucht ja nur das Impfangebot annehmen, um den selbst zu bezahlenden Tests zu entgehen“, sagte der SPD-Politiker.

Bayern Ministerpräsident Markus Söder gingen die gefassten Beschlüsse nicht weit genug. Er warnte: „Wir bekommen eine Pandemie der Ungeimpften.“

Am heutigen Dienstag waren in allen deutschen Bundesländern übrigens 99,9 Prozent der Bevölkerung nicht mit dem Coronavirus infiziert. Am gefährlichsten sieht es derzeit im Stadtstaat Hamburg aus, wo hinter der 99,9 eine 4 steht und nicht wie ihn den meisten anderen Ländern eine 8 oder 9. Die Regierenden betonten jedoch immer wieder, wie gefährlich und überaus ansteckend die Delta-Variante ist, die aber aufgrund der schon erreichten Impfquote kaum noch zu schweren Vorläufen führt. In den Intensivstationen deutscher Krankenhäuser machte am heutigen Tag Corona-Patienten nur 2 Prozent aus.

Auch wenn viele Politiker trotz Bundestagswahlkampfs der gleichen Meinung wie die Kanzlerin und die beiden zitierten Ministerpräsidenten sein mögen, so platzte doch einem heute gewaltig der Kragen. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki äußerte über Angela Merkel despektierlich: „Die ist in ihrer Angstblase gefangen.“
Olaf Schulze
Autor: osch

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