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THÜRINGEN HAT EINEN NEUEN MINISTERPRÄSIDENT

Paukenschlag in Erfurt - Kemmerich ist MP

Mittwoch, 05. Februar 2020, 14:00 Uhr
Was kaum einer für möglich gehalten hätte ist eben bestätigt worden. Die kleinste Fraktion im Thüringer Landtag stellt den Ministerpräsidenten. In einem Wahlkrimi wahren alle Parteien ihr Gesicht und keine verrät ihre Wähler …

Im entscheidenden dritten Wahlgang kommt der Kandidat der LINKEN, Bodo Ramelow, auf 44 Stimmen, der Kandidat der AfD auf 0 und der FDP-Spitzenmann Thomas Kemmerich auf 45 Stimmen. Zusätzlich zu den Abgeordneten von LINKE, GRÜNE und SPD haben also zwei Parlamentarier der Opposition Ramelow gewählt, die denkbar knappe Mehrheit lehnt ihn aber ab und hebt mit den Stimmen der CDU, FDP und AfD den neuen Ministerpräsidenten in den Sattel. Das ist eine Sensation.

Die abgewählte rot-rot-grüne Koalition hat ihr Versprechen eingelöst und war auf dem Wege weiter zu regieren wie bisher. Das Kabinett stand, die Posten waren verteilt, man hatte auch neue Staatssekretäre vorgesehen - es fehlte nur noch die Mehrheit bei dieser heutigen Wahl dafür. Vielleicht war man sich im linken Lager zu sicher, dass im allgemeinen linksliberalen gesellschaftlichen und Medientrend die CDU aus staatstragenden Gründen schon irgendwie mitmachen würde.

Die CDU wiederum hat keiner rot-rot-grünen Regierung zur Macht verholfen, wie sie es vor der Wahl angekündigt hatte, und sich auch deutlich von der AfD distanziert. Dadurch, dass sie keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat, ist sie weder zum Königsmörder noch zum Steigbügelhalter geworden (je nachdem von welcher Seite man es betrachtet).

Die AfD hat letztlich geschickt taktiert, nachdem all ihre Angebote an die anderen Oppositionsparteien abgelehnt wurden. Sie hat in den ersten beiden Wahlgängen mit ihrem Kandidaten die absolute Mehrheit für Ramelow verhindert. Um im dritten Wahlgang dann den eigenen Mann zugunsten des nun neu auf der Bildfläche erschienenen FDP-Kandidaten fallen zu lassen. Das damit ausgelöste politische Beben, wie es diese Republik vorher noch nicht gesehen hat, wird noch lange nachhallen.

Und die FDP? Ja, die stellt nun mit den wenigsten Wählerstimmen den Ministerpräsidenten, weil auch sie ihren Wahlversprechen treu geblieben ist, weder r2g zu wählen, noch der AfD zu helfen. In den ersten beiden Wahlgängen mussten die Liberalen sich nur enthalten, um Ramelow zu verhindern und im dritten stellte sie ihren Kandidaten auf, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dem ungeliebten Linken zum Sieg verholfen oder den AfD-Kandidaten gewählt zu haben. Und päng! Ministerpräsident!

Wie es nun weitergeht in Erfurt ist so spannend, dass wir Sie, liebe Leser, herzlich einladen, mit uns hier in den Nordthüringer Online-Zeitungen darüber zu diskutieren.
Olaf Schulze
Autor: red

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