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Das verlogene Märchen von der Lügenpresse

Sonntag, 15. September 2019, 08:44 Uhr
Die Lügen von der „Lügenpresse“ haben im Wahlkampf vor der nächsten Landtagswahl in Thüringen wieder Hochkonjunktur. Das Unwort des Jahres 2014 taucht auch in dieser Rubrik immer wieder auf. Schon die Nazis griffen mit diesem Schlagwort die Weimarer Republik an...


„Dass AfD-Vertreter hierzulande vom ‚Ausmisten’ der Verlage und Rundfunkanstalten sprechen, zeigt deutlich: Diese Leute sind die größten Feinde der Pressefreiheit“, warnt Georg Restle, Leiter der WDR-Sendung „Monitor“.

Die Journalisten dürften nicht vor „menschenverachtenden und freiheitsfeindlichen Positionen zurückweichen“. Die Politik sollte sich stärker für die Pressefreiheit einsetzen. Restle sieht eine Radikalisierung auf mehreren Ebenen: „Zunächst eine fortschreitende Gewaltbereitschaft innerhalb der rechtsextremen Szene.. . Dazu die Radikalisierung im politischen Raum, die sich auch durch die Verbindungen der AfD weit hinein ins rechtsextremistische Lager zeigt, wo die Grenzen zum
Rechtsextremismus zusehends verschwinden.“ Er erklärt: „Wenn wir uns einschüchtern ließen, hätten die Angstmacher schon gewonnen.“

In Verlagen und Redaktionen werde seit langem kontrovers diskutiert, wie mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck – und damit auch der AfD – umgegangen werden sollte. „Durch die zunehmende Radikalisierung der AfD stellt sich nun aber noch dringlicher die Frage, inwieweit wir einer Partei eine Bühne geben wollen, die von der rechtsextremen Szene als ihr parlamentarischer Arm betrachtet wird.“

Der Fernseh-Journalist argumentiert: „Es ist nicht normal, wenn Menschen die Würde abgesprochen wird, nur weil sie keine Deutschen sind; es ist nicht normal, wenn sich gerade in diesem Lande ein völkischer Nationalismus wieder ausbreitet; es ist schon gar nicht normal, wenn Journalisten, die ihren Job machen, dafür ins Visier rechtsextremer Gewalttäter geraten.“ Restle erhielt eine Morddrohung wegen eines Kommentars.

Die AfD versuche, ihren Einfluss im öffentlichen Diskurs kampagnenartig auszuweiten – „ausgerechnet dadurch, dass sie mehr Präsenz in den von ihr verhassten öffentlich-rechtlichen Medien einfordert. Aber wir sind unabhängige Journalisten und hoffentlich geübt darin, politische Einflussnahmen auf unsere Berichterstattung quantitativ wie qualitativ zurückzuweisen, ganz gleich von welcher Partei sie kommen“.

Droht Journalisten hier Gefahr, Opfer ihrer Arbeit zu werden? „Wenn man sich anschaut, wie die Gewaltbereitschaft innerhalb der rechtsextremistischen Szene zunimmt, halte ich es keineswegs für ausgeschlossen, dass sich auch in Deutsch-land irgendwann jemand durch die andauernde Hetze gegen ‚die Medien’ animiert fühlt, zur Tat zu schreiten. Soweit Rechtsextremisten uns als Teil eines von ihnen verhassten Systems wahrnehmen, das sie stürzen wollen, sehe sich tatsächlich eine wachsende Bedrohung.“

Ein Rat Restles lautet: „Die Hetze mag persönlich formuliert sein, letztendlich gilt der Angriff aber nicht der Person, sondern der Presse- und Meinungsfreiheit. Je weniger man sich vom Hass einschüchtern lässt, desto eher geben die Hetzer auf. Man sollte auch nicht auf jeden Schrott reagieren.“ Er wendet sich gegen „die falsch verstandene Vorstellung von Neutralität und Ausgewogenheit. Aus meiner Sicht ist es einer der größten Fehler …, extremistische oder rassistische Äußerungen als Ausdruck von Meinungsvielfalt wahrzunehmen und damit aktiv an einer Entwertung unserer Grundwerte zu beteiligen“.

„Lügenpresse“ ist ein Schlagwort, das Misstrauen gegenüber den etablierten Medien ausdrückt. Dem Wortsinn nach unterstellt es Journalisten absichtlich falsche Sachverhaltsaussagen beziehungsweise die Verdrehung von Tatsachen. Es ist oft mit verschwörungsideologischen Vorstellungen verbunden. Ähnliche Begriffe sind „Systempresse“ und „gleichgeschaltete Medien“ sowie neuerdings auch „Mainstream-Medien“.

Vom rechtsextremen Rand ist der Begriff in die gesellschaftliche Mitte gerückt und wird vor allem von rechtspopulistischen, rechtskonservativen, fremden- und islamfeindlichen Kreisen benutzt. Zwischen Teilen der Bevölkerung und den Eliten aller gesellschaftlichen Sektoren bestehen Meinungsklüfte hinsichtlich Einwanderung und Integration sowie in geo- und bündnis-politischen Fragen, so in der Haltung zu den USA und Russland.
Manfred Neuber
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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