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Wer bedroht den Weltfrieden?

Mittwoch, 05. Dezember 2018, 06:28 Uhr
Aktuell drohen die USA und die NATO wieder einmal Russland: diesmal mit der Aufkündigung des INF-Vertrages, der Russland und die NATO verpflichtet, auf atomar zu bestückende Mittelstreckenraketen in Europa oberhalb von 500 Kilometern Reichweite zu verzichten. Dazu Anmerkungen eines Lesers...


Dieser Vertrag wurde 1987 seitens der NATO mit der damaligen Sowjetunion unterzeichnet, nachdem als Ergebnis des so genannten NATO-Doppelbeschlusses von 1979 in Mitteleuropa (auch in Deutschland) atomar bestückbare Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und Cruise Missile als Antwort auf sowjetische SS 20 stationiert worden waren.

Das war der eine Teil des „Doppel“beschlusses. Der zweite beinhaltete die Aufnahme von Verhandlungen mit der UdSSR, die letztlich zum INF-Vertrag und zur Abrüstung führten.

Als Ergebnis des INF-Vertrages kam es tatsächlich zum Abbau sämtlicher Mittelstreckenraketen in Europa. Nun, nach 30 Jahren atomaren Friedens, wirft der Westen Russland vor, Geschosse und Trägersysteme in Betrieb genommen zu haben, die gegen den INF-Vertrag verstoßen sollen.

Ich fühle mich an die damalige Zeit der atomaren Angst erinnert. Obwohl sich in den achtziger Jahren in Westdeutschland eine nach Hunderttausenden regelmäßiger Demonstranten zählende Friedensbewegung lautstark Gehör verschaffte, setzte die Schmidt-Genscher-Regierung die Stationierung der Raketen auf eigenem Boden durch. Als die damalige Sowjetunion unter Gorbatschow Anfang der 90er Jahre zusammenbrach, reklamierte dies der Westen gern für sich. Der Osten sei nicht nur an seinen großen wirtschaftlichen und innenpolitischen Problemen, sondern auch an der enormen wirtschaftlichen Belastung der Aufrüstungsspirale im Kalten Krieg zerbrochen.

Zu befürchten ist, dass NATO und USA nun ein weiteres Mal versuchen könnten, in Mitteleuropa und damit auch in Deutschland Atomraketen zu stationieren, auch mit dem Ziel, den ungeliebten russischen Präsidenten Putin loszuwerden und Russland in eine Gesellschaft nach westlichem Vorbild zu zwingen.

Dabei wird gern unterschlagen, dass der Osten mit der Auflösung des Warschauer Paktes, also eines ganzen Militärbündnisses als Ergebnis der friedlichen Revolutionen bereits eine enorme einseitige Entschärfung der einstigen militärischen Verspannung erbrachte. Diskutiert wurde nach 1990 auch eine Einbeziehung Russlands in das westeuropäische Sicherheitssystem und gegenüber Moskau wurde versprochen, die NATO nicht auf das Gebiet früherer Warschauer-Pakt-Staaten auszudehnen.

Die Realität ist bekannt, die NATO-Osterweiterung ein Fakt. Wenn Russland dies entgegen früherer Beteuerugen des Westens als aggressiven Akt begreift und handelt, so dürfte dagegen nichts Plausibles hervorzubringen sein.

Selbst von einer Freihandelszone zwischen Atlantik und Pazifik im fernen Osten Russlands war nach der Wende die Rede. Unvergessen, aber heute gern vergessen, ist in diesem Zusammenhang Putins Rede im deutschen Bundestag 2001. Geblieben ist von den Versprechungen und Sonntagsreden nichts.

Wenn heute in vielen Tageszeitungen zu lesen ist, die NATO-Oberen hätten Videos über laut INF-Vertrag verbotenene russische Geschosse als plausibel eingestuft, so erinnert mich dies an die Informationen über angebliche irakische Massenvernichtungsmittel. U.a. aus diesen resultierte bekanntlich der Golfkrieg, als Intervention des Westens im Irak, der wiederum zur Destablisierung einer ganzen Region, zum IS und in der Endkonsequenz zu tausenden Irakflüchtlingen führte. Massenvernichtungsmittel aber wurden nie gefunden.

Dafür starben in den Golfkriegen tausende unschuldiger Menschen. Der frühere britische Premierminister Toni Blair entschuldigte sich Jahre später für die damalige Fehleinschätzung. Zur Verantwortung gezogen wurde meines Wissens im Westen niemand.

Der INF-Vertrag brachte tatsächlich mehr Sicherheit in Europa. Nach Jahrzehnten des Kalten Krieges kam es, auch im Zuge der Start-Verträge über die strategischen Atomwaffen, endlich zu einer echten Abrüstung.

Jedoch sollten wir uns davor hüten, noch einmal eine atomare Rüstungsspirale zu befeuern. Die ewige, gern am Leben gehaltene Mär von der russischen Gefahr hält den Fakten kaum stand.

Wenn es um westliche Interessen geht, sind die friedliebenden Demokratien schon mehrmals in den letzten Jahrzehnten über tausende Leichen gegangen. Der Vietnamkrieg und die Golfkriege sind nur zwei von mehreren Beispielen. Die Angst in Russland vor dem Westen ist begründet. Mehr als einmal im vergangenen Jahrhundert marschierten westliche Staaten in Russland ein. Umgekehrt sind mir solche Fälle nicht bekannt. Es ist klar, dass Russland sich provoziert fühlt und reagiert.

Besonders befremdlich finde ich in diesem Zusammenhang die Haltung der Grünen. Die einstige Pazifistenpartei per excellence mauserte sich in den letzten Jahren zu einer Gruppierung, die die NATO-Osterweiterung mit Truppen- und Militärtechnikverlegung an die russische Grenze und eine harte Hand gegenüber Russland rechtfertigen.

Der von den Grünen gern für sich vereinnahmte Anspruch auf die einzig wahren Problemlöser globaler Probleme hat sich damit selbst als unglaubhaft entlarvt.

Während zudem in westlichen Gesellschaften gern der „American way oft live“ proklamiert und gelebt wird, hört man von den menschlichen Qualitäten östlicher Völker eher wenig. Dabei dürfte feststehen, dass Russland nicht Putin allein ist. Seitens der Medien aber auch der Politik täte es bitter Not, den menschlichen Faktor in den Beziehungen zum größten Land der Erde deutlich höher anzusetzen als bisher.

Alle, die je eine Reise nach Russland unternahmen, waren und begeistert von menschlicher Wärme und Gastfreundschaft russischer Menschen. Und ich persönlich bin froh, dass sich nicht alle Menschen dieser Welt pauschal auch allen westlichen Werten und Normen zu unterwerfen bereit sind.

Denn einen Beweis für ihre Zukunftsfähigkeit haben sie bisher nicht in allen ihren Teilen antreten können.
Bodo Schwarzberg
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Autor: red

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