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Mi, 08:35 Uhr
04.08.2021
15. Harz-Hunderter Extrem

145 Kilometer Non-stop

Es ist wieder vollbracht, Bodo Schwarzberg und eine Handvoll Wanderenthusiasten haben den Harz am Stück von West nach Ost gequert. Die Aktion ist ein Erlebnis der besonderen Art und zeigte wieder schöne aber auch erschreckende Seiten...

Der Erfolg war nicht vorprogrammiert: Denn von den 145 Wanderkilometern der Strecke Seesen-Brocken-Eisleben mussten die Starter erstmals 55 Kilometer ohne Verpflegungsstellen erlaufen. Zwischen Seesen und Schierke war der Rucksackinhalt die einzige Energiequelle. Zudem fand eine Woche vor dieser regulären Veranstaltung in Sachsen spontan eine andere Langstreckenwanderung mit rund 100 Kilometern Länge statt, die durchaus in der Lage gewesen wäre, Teilnehmer vom 15. Harz-Hunderter Extrem abzuhalten. Letztlich wurde aber alles gut.

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Trotz der genannten Einschränkungen hatten sich am vergangenen Freitag gegen 21:30 am Bahnhof Seesen immerhin fünf Enthusiasten mit jeweils individuellen Zielen eingefunden: Zwei Teilnehmer gönnten sich die Nachtwanderung bis nach Schierke über maximal 55 Kilometer, Lutz Hollerbuhl aus Sangerhausen plante die 100 Kilometer bis nach Straßberg ein und Hubertus Schmidtke favorisierte gemeinsam mit mir als Wanderleiter die Gesamtstrecke Seesen-Brocken-Lutherstadt Eisleben über 145 Kilometer am Stück.

Das Etappenziel Brockengipfel erreichte man um 8.30 Uhr morgens (Foto: Bodo Schwarzberg) Das Etappenziel Brockengipfel erreichte man um 8.30 Uhr morgens (Foto: Bodo Schwarzberg)


Am Ende kam es so wie von den Beteiligten gewünscht: Ein Nachtwanderer aus Halle wanderte rund 43 Kilometer bis etwa zum Dreieckigen Pfahl am westlichen Fuß des Brockens und weiter nach Schierke und eine junge Nordhäuserin beendete ihre Tour erst nach der Besteigung des Brockens, ebenfalls in Schierke, dann nach 55 Kilometern.

Lutz Hollerbuhl, Hubertus Schmidtke und der Wanderleiter erreichten am späten Abend des vergangenen Sonnabends nach rund 100 Kilometern das sachsen-anhaltische Straßberg. Von dort wanderten nur die beiden Letztgenannten weiter. Nach der zweiten durchwanderten Nacht erreichten wir zum Frühstück planmäßig kurz nach 7 Uhr und 123 Kilometern am Sonntag den Harzer Erlebnishof in Grillenberg und um 14 Uhr das Ziel der Gesamtstrecke: den Bahnhof in Eisleben.

Damit wurde der Harz zum im Zuge dieser Veranstaltung zum 12. Mal von West nach Ost ohne Übernachtung zu Fuß durchquert.

Und das, wie eingangs erwähnt, unter durchaus nicht einfachen Bedingungen: Da uns ein Gastwirt im elf Kilometer nach dem Start liegenden Lautenthal nicht mehr bewirten wollte, gab es zur einkehrfreien Nachtwanderstrecke Seesen-Brocken-Schierke keine funktionsfähige Alternative mehr. Die Brockengastronomie öffnet neuerdings erst um 10 Uhr für hungrige Wanderer, so dass auch der höchste Harzgipfel für uns uninteressant war. Wir erreichten ihn bereits um 8:30.

Die nun wegfallenden großen Einkehrpausen wurden in mehrere kurze, nächtliche Rucksackpausen geteilt, was von den Teilnehmenden ebenso gut aufgenommen wurde, wie der damit verbundene Wegfall von zwei Wanderkilometern (statt 147 nur noch 145 Kilometer insgesamt). Schon zu Beginn der langen Wanderung kein schweres Schnitzel im Magen zu haben und dafür öfter, als in den Jahren zuvor eine kleine Auszeit vom Wandern - das motivierte für die ersten 55 Kilometer trotz der zahlreichen Anstiege. - Und das hatte ich so gar nicht erwartet.

Im Kellwassertal zwischen Altenau und dem Torfhaus mussten wir mitten in der Nacht einen Sprint über mehrere hundert Meter einlegen: Dutzende Wasserfontänen strichen untentwegt über hunderte Festmeter parallel zum Weg gelagerten Stammholzes, um dieses verarbeitungsfähig zu halten. - Dennoch blieb uns die bis auf die Haut durchnässte Kleidung nicht erspart. Das viele Wasser dort stand im krassen Gegensatz zum Feuchteregime des Weltkulturerbes Oberharzer Wasserregal, das wir ebenfalls während der ersten Nacht passierten, und das wir erschreckenderweise fast genauso ausgetrocknet wie in den drei Jahren zuvor vorfanden.

In Schierke gönnten wir uns verbliebenen Drei natürlich eine ausgiebige Pause, um hernach über Elend und Königshütte nach Trautenstein und weiter nach Stiege zu wandern.

Abgelagerte Stämme wohin das Auge blickt (Foto: Bodo Schwarzberg) Abgelagerte Stämme wohin das Auge blickt (Foto: Bodo Schwarzberg)


Nicht auszudenken, was uns auf den rund 25 Kilometern ohne Wald ab Königshütte bei Temperaturen von 30 und mehr Grad erwartet hätte. Das kannten wir ja schon aus den Jahren 2018 bis 2020 auf derselben Tour. Nur mit dem Unterschied, dass im aktuellen Jahr noch weniger Fichtenwald vorhanden ist, vor allem auf den letzten Kilometern vor Trautenstein. Kilometerweit konnten wir in Ermangelung von Bäumen unsere Route einsehen, ich fühlte mich zurückversetzt in das tschechische Isergebirge der 80er Jahre, das dem Schwefeldioxid vor allem aus den DDR-Braunkohlenschloten zum Opfer gefallen war. Hunderte Meter wurden die Wege mitunter von abgelagertem Stammholz gesäumt.

Wir durchwanderten stundenlang die Ergebnisse einer Kurzsichtigkeit auf klimapolitischem und forstpolitischem Gebiet. Nur das viele Verantwortliche für das Desaster weltweit längst ihren Ruhestand genießen.

Nach einer wohltuenden Getränkepause nach 72 Kilometern in Trautenstein hüllte uns alsbald wenigstens stellenweise der ebenso wohltuende Schatten der wenigen auf der Harzer Hochflläche noch verbliebenen Buchen ein, so u.a. im Naturschutzgebiet Radeweg unweit der Bundesstraße 81. dem nordhausennächsten Punkt der Langstreckenwanderung.

Endlich mal wieder ein Stück Wald im Harz, dachten wir Harzwanderer. Nach der nächtlichen Einkehrpause in Straßberg begaben sich Hubertus Schmidtke und ich auf das letzte Drittel der Strecke nach Eisleben. In Richtung Dankerode galt es zunächst mehr oder weniger querfeldein kilometerweit eine ungemähte Wiese mit meterhohem Gras im Schein der Taschenlampen zu durchqueren. Wir belohnten uns für dieses Erlebnis mit einer Pause auf den Stühlen einer Dankeröder Gaststätte und ruhten uns auch noch einmal nach ca. 112 Kilometern an der Staumauer der Wippertalsperre für einige Minuten aus.

Hubertus Schmidtke (links) und Bodo Schwarzberg am östlichen "Harzende" westlich von Hergisdorf nach ca. 135 Kilometern (Foto: Hubertus Schmidtke) Hubertus Schmidtke (links) und Bodo Schwarzberg am östlichen "Harzende" westlich von Hergisdorf nach ca. 135 Kilometern (Foto: Hubertus Schmidtke)


Die vier mächtigen Waldhügel zwischen Wippra und der sonntäglichen Frühstücksgaststätte in Grillenberg verlangten uns noch einmal Stehvermögen ab. Umso besser schmeckten dann Kaffee und Brötchen im Harzer Erlebnishof, den wir auf der Route Nordhausen-Halle üblicherweise nur im nächtlichen Dunkel erreichen.

Jedesmal wieder ist das Passieren des östlichen „Harzendes“ ca. drei Kilometer vor Hergisdorf nach rund 135 Kilometern ein besonderer Moment. Dann lichtet sich der verblibene Harzer Wald für uns zum letzten Mal. Denn hier, so haben wir es definiert, haben wir den Harz von West nach Ost durchquert.

Noch ein wenig Feldweg, garniert mit Mansfelder Kupferschieferschlacke und die Hauptstraßen von Wimmelburg und Eisleben, und, auf den letzten zwei Kilometern, ein Platzregen, der zum Öffnen des 143 Kilometern umsonst mitgeschleptten Regenschirms veranlasste – um 14 Uhr erreichten wir am Sonntag zu zweit mit einstündiger Verspätung den Bahnhof in Eisleben. 145 Kilometer sind mal wieder geschafft. Wir sind etwas steif, aber zufrieden.

Auch 2022 wird es wieder einen Harz-Hunderter Exztrem als familiär gehaltene West-Ost-Harzquerung geben - mit zwei Nächten ohne Schlaf versteht sich, und hoffentlich wieder mit schon etwas mehr Wald - sowie ohne Einkehr auf den ersten 55 Kilometern.
Bodo Schwarzberg
Harzer Hunderter Extrem  (Foto: Bodo Schwarzberg)
Harzer Hunderter Extrem  (Foto: Bodo Schwarzberg)
Harzer Hunderter Extrem  (Foto: Bodo Schwarzberg)
Autor: red

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