eic kyf msh nnz uhz tv nt
Mo, 07:02 Uhr
16.09.2019
Handy-Abofallen

Falsche Rechnungen für 41 000 Kunden

41 000 Kunden der Mobil­funkanbieter Mobilcom-Debitel, Vodafone und Klarmobil haben falsche und zu hohe Rechnungen bekommen – für Dritt­anbieter­leistungen wie Videos oder andere auf der Rechnung nicht genannte „Dienste“, die sie gar nicht bestellt hatten. Zahlen sollten sie dennoch – bis sich die Stiftung Warentest einschaltete...


Abrechnungs­fehler mit Folgen
Beim Bäcker hat der Kunde nichts gekauft – aber der Metzger will von ihm Geld dafür. Das klingt absurd und würde Kunden in der analogen Einkaufs­welt nie passieren. In der digitalen Konsumwelt ist dies nur ein „Abrechnungs­fehler“ – so die staatliche Aufsichts­behörde, die Bundes­netz­agentur. Der Hintergrund: 41 000 Kunden der Mobil­funkanbieter Mobilcom-Debitel, Vodafone und Klarmobil wurde per Hand­yrechnung Geld abge­bucht für „Sonder­dienste“ eines Dritt­anbieters.

Anzeige symplr
Sonder­dienste? Welche Sonder­dienste?
Abge­rechnet hat sie laut Rechnungs­text die Firma Infin. Was die Kunden genau bestellt haben sollen, ging aus den Rechnungen nicht hervor. Als sich Mobil­funk­kunden bei Infin beschwerten, weil sie mit ihrem Handy nichts gekauft oder abonniert hatten, bekamen sie von dort die schriftliche Auskunft, Infin stehe „fälsch­licher­weise“ auf der Rechnung. Die Firma habe die „Dienste“ weder „zur Verfügung gestellt“ noch „berechnet“.

Betroffen: Kunden von Vodafone, Klarmobil und Mobilcom-Debitel
Zahlen sollten die Kunden trotzdem – an einen anderen Anbieter, der nicht auf ihrer Rechnung stand. Erst als sich Finanztest einschaltete, bekamen Vodafone-Kunden das Geld erstattet. Auch Kunden von Klarmobil und Mobilcom-Debitel sollen Gutschriften erhalten, so ein Sprecher der beiden Firmen.

Unser Rat
Reklamation. Wenn Sie nichts per Handy gekauft haben, reklamieren Sie schriftlich bei Ihrem Mobil­funkanbieter. Verlangen Sie, dass er das unrecht­mäßig abge­buchte Geld an Sie zurück­über­weist. Nutzen Sie unseren kostenlosen Musterbrief für Ihre Reklamation. Auf keinen Fall zahlen!

Beschwerde. Beschweren Sie sich per E-Mail bei der Bundes­netz­agentur, der staatlichen Aufsicht (rufnummernmissbrauch@bnetza.de)

Anzeige. Zeigen Sie den unseriösen Dritt­anbieter wegen Betrugs an. Eine Online­anzeige bei der Polizei ist einfach (Online­suche mit Such­wort „Internet­wache“).

Oft wird Kunden ein Abo unterge­schoben
Mobil­funk­firmen buchen über die Hand­yrechnung Geld für Dritt­anbieter­dienste wie Videos oder Spiele ab. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn Kunden sie wirk­lich bestellt haben. Seriöse Dritt­anbieter verlangen eine ausdrück­liche Bestätigung der Bestellung, beispiels­weise durch Ankli­cken eines Buttons mit der Aufschrift „zahlungs­pflichtig bestellen“. Oft wird Kunden aber einfach ein Kauf oder ein Abo unterge­schoben, weil sie irgendwie mit dem Dritt­anbieter in Berührung gekommen sind, beispiels­weise durch das Ankli­cken eines Werbebanners (siehe Grafik). Doch ein Klick auf eine Werbung ist kein Kauf. Da hilft nur eins: Nicht bezahlen!

So funktioniert es (Foto: Stiftung Warentest) So funktioniert es (Foto: Stiftung Warentest) So funk­tioniert das Geschäft
Drei Firmen sind am Geschäft mit Dritt­anbietern beteiligt. Und alle drei verdienen – auch an Abofallen: Mobil­funk­firma, Abrechnungs­dienst­leister und Dritt­anbieter.


Bundes­netz­agentur verließ sich auf Vodafone-Angaben
„Anfragen und Beschwerden liefen fälsch­licher­weise beim ausgewiesenen Dritt­anbieter auf, da die Betroffenen aus dem Rechnungs­text nicht erkennen konnten, dass hier nicht der korrekte Dritt­anbieter ausgewiesen worden war“, so die Behörde auf Anfrage. Allerdings hat die Bundes­netz­agentur – die seit 10. Juni von der Sache weiß – nicht selbst geprüft, ob Kunden über­haupt Dritt­anbieter­leistungen bestellt haben. Die Behörde stützt sich nur auf eine Auskunft von Vodafone.

Dubioses Geflecht
Nach Angaben von Mobilcom-Debitel handelt es sich bei dem angeblich „korrekten Anbieter“ um die Firma Texted. Abrechnungs­dienst­leister dieses Dritt­anbieters ist die Firma Mocopay. Sie gehört zur Schweizer Unter­nehmens­gruppe NTH, die in vielen Ländern für Mobil­funk­firmen Leistungen von Dritt­anbietern abrechnet. Die Londoner Firma Texted ist auch mit NTH verbandelt. Laut britischem Unter­nehmens­register ist ihr Haupt­anteils­eigner ein NTH-Manager. Für den Mobil­funk­kunden sind Dritt­anbieter und Abrechnungs­dienst­leister oft kaum zu unterscheiden, weil mal der eine, mal der andere auf seiner Rechnung ausgewiesen ist.

Schreiben Sie uns
Haben Sie Informationen zum Thema oder wollen Sie auf Miss­stände hinweisen? Schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an handystress@stiftung-warentest.de.

Abofallen in großem Stil
Bereits in der Ausgabe Finanztest 9/2019 hatte die Stiftung Warentest über Abofallen im großen Stil berichtet. Seitdem melden sich immer mehr betrogene Verbraucher. Mehr als 1 300 Beschwerden sind bei uns einge­gangen über Dritt­anbieter und Abrechnungs­dienst­leister wie Rich­berg Media, Pink Mobile, Brandii Media – und eben Mocopay oder Texted. Auch Amer Alaws, Eva Lehr­mann und Samy Ashek haben uns ihre Beschwerden geschickt. Sie haben versichert, gar nichts gekauft oder abonniert zu haben.

Silverlines, Mocopay, Texted – und wer ist „Sandra Becker“?
Als Ashek an die E-Mail-Anschrift schrieb, die er von der fälsch­licher­weise auf seiner Rechnung ausgewiesenen Firma Infin bekommen hatte, erhielt er per E-Mail Antwort von „support.de@silverlines.info“. Er müsse 4,99 Euro bezahlen, „da der Dienst einwand­frei akti­viert wurde“. Unterzeichnet war die E-Mail mit „Sandra Becker“. Kein Firmen­name, keine Post­anschrift. Für Ashek war also nicht zu erkennen, dass er es mit Mocopay beziehungs­weise Texted zu tun hat. Merkwürdig ist auch: Texted taucht auf der internen Vodafone-Sperr­liste unseriöser Dritt­anbieter auf. Das schützte Ashek und andere Kunden aber nicht vor dieser Firma.

Das Kalkül der unseriösen Dritt­anbieter
Ashek beteuert: „Ich habe nichts bestellt.“ Doch angesichts des nied­rigen Euro­betrags ließ er die Sache auf sich beruhen. Nach unseren Recherchen handeln viele andere Kunden ebenso. Wegen der schlechten Erfahrung mit Dritt­anbietern richten sie eine Dritt­anbieter­sperre ein, laufen ihrem Geld aber nicht energisch hinterher. Genau dies scheint Kalkül unseriöser Dritt­anbieter zu sein.

Erstattung erst nach Druck durch Finanztest
Eva Lehr­mann bekam ihr Geld nach energischem Protest bei Klarmobil zurück. Dieses Glück hatte Amer Alaws erst, als sich Finanztest einschaltete. 59,88 Euro waren dem Mobilcom-Debitel-Kunden bereits abge­bucht worden, als er sich an uns wandte. Mobilcom-Debitel erstattete ihm das Geld, als wir bei dem Unternehmen nach­fragten. Auch die anderen Kunden, für die wir uns erkundigten, bekamen ihr Geld zurück.

Falsche Rechnungen über Monate
Nach unseren Erkenn­nissen haben die betroffenen Mobil­funk­firmen drei Monate lang falsche Rechnungen verschickt. Viel Zeit für Dritt­anbieter, um abzu­kassieren. So erhielten 41 000 Mobil­funk­kunden falsche Rechnungen, teilt uns der Sprecher der Bundes­netz­agentur mit, der sich auf Zahlen von Vodafone bezieht. Viele Betrogene melden sich nicht bei ihrer Mobil­funk­firma, weil diese ihnen suggeriert, der Dritt­anbieter sei zuständig.

Anbieter rücken keine Beschwerdezahlen raus
Vodafone, Telekom, Telefónica und Mobilcom-Debitel sind unserer Frage nach der Gesamt­zahl ihrer Kunden­beschwerden ausgewichen. Auch die Bundes­netz­agentur hat von den Mobil­funk­unternehmen bisher keine Beschwerdezahlen bekommen, weil die Firmen sie „nicht belast­bar zur Verfügung stellen können“, so schreibt die Behörde. Bisher können sich die Mobil­funk­firmen also durch­lavieren.

Bundes­netz­agentur blieb lange untätig
Aufgeschreckt durch die Recherche von Finanztest fing die Bundes­netz­agentur an, genauere Nach­forschungen zu dem absurden Sach­verhalt anzu­stellen. Zunächst hatte sie sich mit einer beschwichtigenden Auskunft von Vodafone zufriedengegeben. Die Behörde ist offen­bar auch blind für das gesamte Ausmaß des Kunden­betrugs durch dubiose Dritt­anbieter – obwohl sie seit gut zwei Jahren in einem „Fest­legungs­verfahren“ nach einem besseren Schutz von Mobil­funk­kunden vor unseriösen Dritt­anbietern sucht.

Viele Mobil­funk­kunden kennen ihre Rechte nicht
Die Beschwerden kommen bei ihr nicht an, weil kaum ein Mobil­funk­kunde weiß, dass er sich bei der staatlichen Aufsicht beschweren kann. Ein Hinweis auf der Hand­yrechnung auf diese Beschwerde­möglich­keit wäre sehr nützlich – damit betrogenen Kunden endlich geholfen wird.
Autor: red

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr