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Fr, 09:51 Uhr
01.06.2018
IM LANDKREIS IST „PINSELOHR“ WOHL NUR DURCHZÜGLER

Luchs, Waschbär und die Fakten

Fast 200 Jahre lang streifte kein Luchs mehr durch die weiten Wälder des Harzes. Intensive Verfolgung führte zu seiner Ausrottung. Dann kam der Forstwirt und Weidmann Ole Anders und plante für den Nationalpark Harz die Rückkehr des faszinierenden Tieres...


Südharz. Überall in Deutschland suchte Anders geeignete Luchse in Gehegen und bereitete sie in einem Auswilderungsgehege auf die Wildnis vor. Das war vor 18 Jahren. Förster, Jäger und Naturschützer setzten sich gemeinsam für das Gelingen des Projektes und den Schutz der größten europäischen Katze ein. Mit Erfolg.

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Selbstständig pflanzt sich der Luchs heute fort. In den Wäldern des Harzes leben derzeit etwa 55 ausgewachsene Tiere. Doch Vorbehalte in Teilen der Jägerschaft, auch im Landkreis, gegen das Raubtier sind groß. Einige hassen es sogar. Das wurde erst dieser Tage deutlich. Im Fürstenholz bei Auleben beobachtete ein Jäger (nnz berichtete), wie ein Luchs ein Reh riss.

Tötet der Luchs tatsächlich mehr Rehe als die Jägerschaft? Das jedenfalls behauptete daraufhin ein Mann, der zur Jagd geht. Keine Einzelmeinung. Gibt es bald kein Rehwild mehr in unseren Wäldern? Angeblich aber, ist zu hören und zu lesen, haben wir zuviel Wild. Förster beklagen doch immer wieder starken Wildverbiss. Ole Anders kann auf stichhaltige Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten verweisen. Wir baten ihn um seine Meinung.

„Sicher ist die jährliche Jagdstrecke eines einzelnen (überwiegend Rehe jagenden) Luchses mit 60 bis 80 Rehen höher als die der allermeisten menschlichen Jäger“, schreibt er, betont aber nachdrücklich: „Allerdings lebt ein Luchs innerhalb eines recht großen Streifgebietes. Innerhalb des Harzes liegen die Streifgebietsgrößen besenderter territorialer Luchse zwischen 99 und 335 Quadratkilometern. Der einzelne Luchs würde also demnach 0,2 bis 0,8 Rehe/Quadratkilometer erbeuten.“

Der Koordinator Luchsprojekt Harz bemerkt außerdem: „Innerhalb einer etablierten, flächendeckenden Luchspopulation überlappen die Streifgebiete männlicher territorialer Luchse die von ein bis drei territorialen Weibchen. Des Weiteren lebt eine gewisse Anzahl nicht territorialer Luchse (meist Jährlinge) und natürlich einige Jungtiere in einer solchen Population. Anhand unserer Taten gehen wir davon aus, dass Luchse bei flächendeckendem Vorkommen in einer etablierten Population bei Harzer Bedingungen insgesamt etwa 1 bis 2 Rehe pro Quadratkilometer und Jahr erbeuten.“

Der Forstwirt, Forscher und Weidmann äußert sich auch über die Vorkommen der Großkatze hierzulande: „Die Daten zum Vorkommen des Luchses im Landkreis Nordhausen sind derzeit so spärlich, dass sie nicht den Schluss zulassen, dass wir es dort mit einer flächendeckenden Verbreitung zu tun haben. Außerhalb des Harzes muss man anhand der Datenlage vielmehr von Einzeltieren ausgehen, die das Gebiet durchwandern oder sich an der einen oder anderen Stelle auch niedergelassen haben mögen.“

Wichtig, bemerkt Anders, sei es, Luchsbeobachtungen zu melden. Er meint: „Um aber den Status des Luchsvorkommens in der Region im Auge zu behalten, wäre es wichtig, dass Beobachtungen auch an die zuständigen Stellen (in Thüringen: TLUG Uwe Müller) gemeldet werden. In dem Fall bei Auleben ist dies ja auch geschehen (Anmerkung: In der Kreisjägerschaft ist Sandro Demme der Luchsbeauftragte).“

Die Rehwildstrecke (menschliche Jagd) im Landkreis Eichsfeld habe in den Jagdjahren 2015 und 2016 rund 1200 Stück betragen, weiß Anders. Die Größe der tatsächlich bejagten Fläche lag ihm nicht vor. „Interessant wäre dazu noch die Entwicklung der Jagdstrecke in den vergangenen Jahren“, hebt Ole Anders abschließend hervor. Und: Da Jäger, wie auch Landwirte und Förster, eher an Hektarangaben gewöhnt seien: 1 Quadratkilometer = 100 Hektar.

Apropos Jagdstrecke. Was besagt die bei Rehwild, bevorzugte Beute des Luchses, im Südharz? Wir fragten bei der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt nach. Detlev Collmann registrierte: Im Jagdjahr 2012 zu 2013 wurden 963 Stück Rehwild erlegt. 2013 zu 2014 betrug die Strecke 1027 Stück. „Nur“ 862 Rehe waren es in der Jagdsaison 2015 zu 2016. Hatte da schon die große Katze gewütet? Mitnichten. Im Jagdjahr 2016 zu 2017 fielen 1045 Rehe der Flinte zum Opfer. Die aktuelle Statistik ist noch nicht vollständig.

Fazit: Die Luchsgegner in der Jägerschaft können beruhigt sein: Die Großkatze wird ihnen nicht das letzte Stück Rehwild vor der Flinte wegfressen. Außerdem dürften sie wissen: Luchse erbeuten nicht nur mittelgroßes Schalenwild. Auch Füchse, Marder, Frischlinge und Überläufer (Schwarzwild) dürfen ihnen nicht begegnen. Im „Forum: Wissenschaft“ ist zudem zu lesen: Waschbären sind zum größten Feind aller Kleintiere, insbesondere der Singvögel, geworden. Bisher hatten sie keine natürlichen Feinde – bis der Luchs kam. Er dulde diese als Nahrungskonkurrenten nicht im Revier. Die große Katze werde hoffentlich bald den Bestand an Waschbären in den Wäldern reduzieren, heißt es da.
Kurt Frank
Autor: nnz

Kommentare
LithiumTim
01.06.2018, 11.41 Uhr
Zum Luchs nach Hans Hoffmann 1899 im Buch „Der Harz“...
Habe mal nachgesehen:
"Ritter berichtete, daß Anfang des 18. Jahrhunderts
unterhalb des Brockens ein Luchs geschossen und „oh raritatum“ nach Hannover an den Hof geschickt wurden sei, und Pastor Sieber gibt an, daß in jener Zeit in den
Waldungen des Harzes und auch am Regenstein, wo sie früher gehaust hätten, ausgerottet seien.
Um so merkwürdiger ist es, daß nach 1817 ein Luchs bei Wernigerode und 1818 ein anderer bei Seesen erlegt worden ist. "

Ein tolles Ergebnis für den Nationalpark Harz, gratuliere.
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