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Kampfkunstschule Osterhausen begeht 20-jähriges Jubiläum

Techniken auf Mansfeldisch erklärt

Montag, 23. November 2015, 15:51 Uhr
Eine super nette Geste: Familie Richter (im Bild: Mario und Marvin) spendiert dem Verein eine Jubiläumstorte. Links: Vereinschefin Claudia Franke; rechts: Schatzmeisterin Anke Weder. (Foto: Jochen Miche) Eine super nette Geste: Familie Richter (im Bild: Mario und Marvin) spendiert dem Verein eine Jubiläumstorte. Links: Vereinschefin Claudia Franke; rechts: Schatzmeisterin Anke Weder. (Foto: Jochen Miche) Die Kampfkunstschule Osterhausen ist 20 Jahre alt geworden. In einer fröhlichen Feier wurde manche Erinnerung aufgefrischt und es wurde festgestellt: Als Claudia Franke die Schule 1995 gründete, war dies ein Akt der Notwehr.

Wenn der Ernstfall eintritt, können die Osterhäuser Kampfsportler einen bewaffneten oder unbewaffneten Angreifer in Sekundenbruchteilen außer Gefecht setzen. Die Mädchen und Jungen lernen, reflexartig und sehr effektiv in Notwehr zu handeln.

Ein ganz anderer Akt von Notwehr hatte im Jahr 1995 zur Gründung der Kampfkunstschule Osterhausen (KSO) geführt. Davon erfuhren die Teilnehmer der Jubiläumsfeier am Sonnabend im Dorfgemeinschaftshaus Hornburg. Die Gründerin und Leiterin der KSO, Claudia Franke, blickte in ihrer Festrede auf die Anfänge zurück: 1995, sie war gerade mal 16 Jahre alt, hatte sie bereits drei Jahre lang in der Esdo-Schule Larivére in Farnstädt Grundtechniken des Kampfsportes erlernt. Damals erklärte ihr ihr Meister, Clemens Larivére, er müsse der Arbeit wegen nach Hannover ziehen und seine Schule schließen. Es gab für die Teenagerin nur eine Alternative: Eine eigene Kampfkunstschule zu gründen. Die notwendigen Bedingungen fand sie in Osterhausen, daher der Name Kampfkunstschule Osterhausen.

Rückblickend nennt Claudia Franke ihre Entscheidung von 1995 nicht mutig, sondern übermütig. Sie wusste ja nicht, was alles auf sie zukommen, welche Höhen und Tiefen die Schule durchmachen würde. Und doch wusste sie vom ersten Tag an: Wer es nicht versucht, hat schon verloren.

So trainierte sie nach Gründung der Schule einige Jahre lang mit zwei bis vier Sportlern. Das war teilweise frustrierend. Ermutigt und unterstützt wurde sie von Anfang an immer wieder von ihren Eltern; ohne sie hätte sie es nicht geschafft, weiterzumachen und später so viel zu bewegen, betonte sie in der Feier. Diese Ermutigung kam auch 1998, als sie überlegte, die Schule zu schließen. Mit selbstgemalten Plakaten wurde seinerzeit - es sollte der letzte Versuch werden - noch einmal an der Osterhäuser Schule für den Kampfsport geworben. Und plötzlich kamen Kinder. Wöchentlich wurden es mehr, die in der KSO trainieren wollten – in einigen Fällen, so die Chefin in ihrer ebenso witzigen wie nachdenklich stimmenden Festrede, „wollten allerdings die Eltern, dass ihre Kinder bei uns trainieren“.

Parallel zu ihren Schülern musste sich auch die Leiterin entwickeln, Prüfungen ablegen und sich Gegnern in Wettbewerben stellen. Im Jahr 2000 legte sie die Prüfung zum 1. Dan (Schwarzgurt) ab. Ihr größter Wettbewerbserfolg war der Vize-Europameister. Aber auch ihre Schützlinge nahmen im Laufe der Jahre viele Gold-, Silber- und Bronzemedaillen von den Deutschen und den Ostdeutschen Meisterschaften mit nach Hause. Erst in diesem Jahr holten die Osterhäuser zwei deutsche Meistertitel, vier Silber- und drei Bronzemedaillen, einen vierten Platz und einen Technikerpokal bei der Deutschen Jiu-Jitsu Meisterschaft der IJJA (International Jiu-Jitsu Akademie) in Stendal (msh-online berichtete am 14. Oktober). Die Deutschen Meister, Jorik Nauman (7) aus Rothenschirmbach und Vicky John (17) aus Einsdorf (beide siegten in Kumite Shiai) feierten ebenfalls das Jubiläum ihres Vereins.

In diesen 20 Jahren trainierten zahlreiche Kinder in der KSO. Einige davon kamen zur Feier nach Hornburg. Darunter der Rothenschirmbacher Stefan Berndt, der einst als 19-Jähriger der erste Schwarzgurtträger der KSO wurde. Oder Marvin Richter, der bereits im zarten Alter von fünf Jahren mit dem Training begann und heute noch dabei ist – als Schwarzgurtträger und Trainer. Seine Eltern, die der KSO bis heute verbunden sind, brachten zur Jubiläumsfeier eine riesige, mit dem Logo der Kampfkunstschule geschmückte Torte mit, die bei den Gästen viel Anklang fand.

Überhaupt: die Gäste. Rund 70 waren gekommen. Sie stellten gewissermaßen einen Querschnitt dessen dar, was sich in den 20 Jahren getan hatte. Beispielsweise war Otto Gerstner aus Hettstedt eingeladen worden und auch erschienen. Er war, als am 7. Juli dieses Jahres ein Tornado gewaltige Verwüstungen auch auf den Grundstücken von KSO-Mitgliedern in Rothenschirmbach angerichtet hatte, ohne zu zögern einem Hilferuf gefolgt und hatte mit seiner Allradtechnik und seinem unglaublich motivierenden Naturell geholfen, gemeinsam mit den Sportlern die schlimmsten Schäden zu beseitigen.

Matthias Bartholomä vom Hettstedter Partnerverein „Budovereinigung Mansfelder Land“ war mit seiner Familie ebenfalls unter den Gratulanten. Er hatte 2014 mit seinen Hettstedter Sportfreunden in der Drushba-Halle eine Budogala organisiert, an der neben anderen auch Kampfsportler aus Stendal teilgenommen hatten. Die Beziehungen der Osterhäuser zu den Altmärkern waren durch ihn zustande gekommen. So waren denn auch Gäste aus dem Norden in Hornburg angereist: Karsten Ullrich, Präsident der Deutschen Jiu Jitsu Akademie, und Sensei (Kampfsportlehrerin) Kornelia Brasche. Sie verliehen Claudia Franke den 7. Dan. Diese hohe Auszeichnung, so Ullrich, werde nicht nach einer bestandenen Prüfung verliehen, sondern an Lehrer der Kampfkunst, die über viele Jahre erfolgreich unterrichtet haben. Zudem hat die Ausgezeichnete einen inzwischen auch international anerkannten Stil entwickelt und mit ihren Schülern perfektioniert. In seiner Laudatio hob Ullrich – selbst Vater mehrerer Kinder – allerdings eines besonders hervor: das große Engagement des Osterhäuser Vereins und seiner Chefin in der Kinder- und Jugendarbeit.

Neben Training, Lehrgängen, Wettkämpfen und Vorführungen bei den verschiedensten Veranstaltungen spielt im Leben der zur Zeit 30 aktiven KSO-Mitglieder das Gesellige im Vereinsleben eine große Rolle. Auch daran wurde erinnert: an die alljährlichen Sommerfeste, an die „Schatzsuche“, die die jungen Kampfsportler durch ganz Rothenschirmbach geführt hatte und an das Ritterfest, bei dem dank des Tischlers Mario Richter sogar mit Katapulten geschossen werden konnte. In bester Erinnerung geblieben sind die Wildsafari mit riesiger Tombola zum 10-jährigen Jubiläum, die Paddeltour auf der Unstrut, die Abenteuer im Kletterwald oder im Affenpark.

Bei allem Spaß kam in der Feier der Dank nicht zu kurz. Ein Dank, der das ganze Vereinsleben in Kurzform zusammenfasst, wenn beispielsweise Thomas Leber erwähnt wird, mit dem die Vereinsgründerin lange Zeit allein trainiert hatte, weil es an Nachwuchs fehlte, oder Mario Richter, der nicht nur als „Holzwurm“ Profi ist, sondern auch am Mattenrand viel Gutes leistet. Anke Weder, wurde gesagt, sei nicht nur Schatzmeisterin, sondern überhaupt ein großer „Schatz“, der permanent im Hintergrund wirke. Besonderer Dank ging an Marvin Richter und René Scholz, die das Freitagstraining absichern und sich in vielen Dingen und Entscheidungen als die rechte und linke Hand der Chefin erweisen.

Marvin ist zudem eines der Mitglieder der KSO-eigenen kleinen Schauspieltruppe, die darauf spezialisiert ist, Märchen zum Leben zu erwecken. Zur Jubiläumsfeier am Wochenende allerdings erklärten er und Philipp Portius abwechselnd den Gästen Selbstverteidigungstechniken in Mansfelder Mundart und führten diese vor. Hier zwei Beispiele: „Runger met‘n Nüschel, hoch met‘n Nüschel un flakst dem met de Kackstelz‘n volle Bude inne Lewwer.“ (Erklärung des Kniestoßes) Eine weitere Technik wurde so erklärt: „Der befummelt mich von hingene, da latsch ich ‘n uff de Quanten, mach de Rüwe runger, un dann treckste dem de Beene weg.“ (Umklammerung von hinten, Beinstrecker) Der Spaß, den die Vorführenden und ihre Mitspieler hatten, übertrug sich sofort auf die Gäste der Jubiläumsfeier.
Jochen Miche
Autor: jm

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