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Mi, 12:58 Uhr
25.05.2016
NSU Komplex

Volle Aufklärung wird es nie geben

Morde, Anschläge, Überfälle - jahrelang konnte eine rechtsradikale Verbrecherbande unerkannt im ganzen Land ihr Unwesen treiben. Heute Abend wird es im Bürgerhaus einen Vortrag zu den Verbindnungen des NSU nach Nordthüringen geben. Wir konnten im Vorfeld mit Katharina König sprechen, die für die Linke in beiden Thüringer Untersuchungsausschüssen zum NSU Komplex saß...

Rechte Schmierereien auf dem Nordhäuser Ehrenfriedhof 2011 (Foto: Archiv nnz) Rechte Schmierereien auf dem Nordhäuser Ehrenfriedhof 2011 (Foto: Archiv nnz)

Ende November 2011: in Eisenach wird eine Bank ausgeraubt, die beiden Täter entdeckt man wenig später in einem Wohnmobil, beide sind tot. Kurz darauf geht in Zwickau ein Haus in Flammen auf - Beate Zschäpe hatte den letzten Unterschlupf des "NSU", des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in Brand gesetzt. Vier Tage später stellt sie sich der Polizei.

Was folgt ist einer der größten Skandale, die diese Republik je erlebt hat. Zehn Morde, zwei Anschläge und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle rechnet man heute dem rechtsradikalen Trio zu. Während die Polizei in vielen Richtungen, nur nicht im rechten Millieu, nach den Tätern sucht, feiert die rechte Szene die Mordserie in Liedern und unterstützt mal direkt mal indirekt die abgetauchten Terroristen.

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All das war schon 2011 eigentlich unfassbar. Über die möglichen Verwicklungen des Verfassungsschutzes, das plötzliche Verschwinden von Akten und um sich greifenden Gedächtnisverlust war man sich da noch gar nicht im klaren.

Die Aufklärung des NSU-Komplexes dauert bis heute an und in Thüringen dürfte sich kaum jemand so gut mit dem Thema auskennen wie Katharina König. Die Politikerin ist Abgeordnete der Linken, bekennende Antifaschistin und saß als Obfrau ihrer Partei in beiden Thüringer Untersuchungsausschüssen.

Auch nach gut fünf Jahren sei das Thema den Menschen noch präsent, die Detailerkenntnisse aber, die man in den letzten Jahren gewonnen habe, die könnten einen überfordern, sagt sie im Gespräch mit der nnz. Sechs Landesparlamente haben sich in eigenen Untersuchungsausschüssen mal mehr, mal weniger ausführlich mit dem Komplex befasst, dazu kommt der NSU Prozess in München gegen Beate Zschäpe und die engsten Unterstützer des Trios.

Man habe viel geschafft, sagt Katharina König. Die Entstehung der Neonaziszene in den 90ern, ihre Organisationen wie den "Thüringer Heimatschutz" und die Verbindungen, die diese zum NSU pflegte habe man weitestgehend aufarbeiten können, man habe erfahren welches Umfeld es dem Trio ermöglichte 14 Jahre lang unerkannt im Untergrund zu leben. Die Finanzen, die Waffen, die Morde, die Überfälle - all das sei fast vollständig aufgeklärt. Im Rahmen des "großen" NSU Prozesses wird inzwischen gegen rund 200 Personen ermittelt, die Bönhardt, Mundlos und Zschäpe auf die eine oder andere Art unterstützt haben sollen - von der Organisation von "Soli-Konzerten" bis zu handfester Hilfe etwa beim besorgen von Pässen oder Unterlagen. Neben dem Müncher Prozess laufen noch zwei weitere Ermittlungsverfahren, über deren Inhalte man bisher aber nur wenig weiß.

"Eine hundertprozentige Aufklärung wird es nicht mehr geben", sagt König, denn trotz aller Erfolge - in dem Puzzle NSU Komplex fehlen große Teile, vor allem da, wo es um den Verfassungsschutz geht. "Es wurden bewusst Akten vernichtet und wir haben es in den Untersuchungsausschüssen immer wieder mit einer um sich greifenden Schwarmdemenz und klaffenden Erinnerungslücken zu tun.", sagt König, die selbst im Verfassungsschutz eine Organisation sieht, die sich weitestgehend einer Kontrolle durch andere Instanzen entziehe und damit im Widerspruch zur Demokratie stehe. "Das sind Daten-Messis. Sie sammeln und sammeln und sammeln ohne das daraus eine Konsequenz erfolgt", so die Abgeordnete weiter, Erkenntnisse seien den Ermittlungsbehörden oft schlicht nicht übermittelt worden. Das betreffe nicht nur Bagatelldelikte, sondern auch brisantere Vorhaben. Zum Beispiel einen Brandanschlag auf ein besetztes Haus in Erfurt 2007, über den man im Verfassungsschutz wohl bestens informiert war.

"50 bis 60% haben wir aufklären können", sagt König, "wenn wir gut sind schaffen wir die 70%". Für diese "maximale Aufklärung" brauche es fünf Säulen, meint die Abgeordnete - die Ausschüsse, die Prozesse, Recherchegruppen, investigative Journalisten und eine interessierte Öffentlichkeit.

Bedenkt man die zahllosen Skandale und "Pannen", welche in den letzten Jahren ans Tageslicht getreten sind, kann man eben jener Öffentlichkeit eine gewisse Resignation allerdings nicht verdenken. Dass es die Leute nicht mehr interessiere höre sie aber selten, meint König und sieht auch deutliche Konsequenzen und Aufklärungswillen auf Seiten von Polizei und Justiz. "Da hat eine Sensibilisierung stattgefunden, die hatten wir zum Teil aber auch schon vorher. Es gab Polizisten die schwer damit gehadert haben das man damals nicht in alle Richtungen ermittelt hat". Auch für die Arbeit der Justiz in Sachen NSU hat König viel Lob übrig, bei den Kollegen in der Politik sieht das anders aus, da komme es drauf an wohin man schaue. Mancher Untersuchungssausschuss habe sich nicht davor gescheut auch die eignene Leute, Parteikollegen und ehemalige Minister in den Blick zu nehmen, so König.

Mit der Aufklärung allein wird es aber nicht getan sein. "So etwas wie den NSU kann und wird es immer geben können", sagt die Abgeordnete, "es ist nicht allein die Gesellschaft die den Ausschlag gibt. Wer ideologisch so gefestigt ist wie der NSU, der lässt sich von solchen Taten nicht abhalten, egal wie gut es dem Land geht." Das ändere aber nichts an der Verantwortung der Gesellschaft Übergriffe und rassistische und menschenverachtende Aussagen auch zu ächten. "Im letzten Jahr wurden rund 1000 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt ohne das eine Ächtung durch breite gesellschaftliche Schichten erfolgt wäre", so die Politikerin, in den 90er habe es noch große Gegendemontstrationen gegeben, heute seien es in den Städten jeweils nur ein paar hundert Leute, die öffentlich gegen den Fremdenhass auftreten. "Den Nazis suggeriert das sie würden im Sinne des Volkes handeln, ihnen wird ein Resonanzboden geschaffen". Derzeit würden die verbalen Hemmschwellen fallen, meint König, und nach den verbalen schwellen folgen die physischen.

Dem entgegenzuwirken sei eine Aufgabe, die nicht nur die Politik, sondern die Menschen selbst in die Hand nehmen müssten, in Feuerwehren, Sportvereinen, Kirchenkreisen und andernorts.

Wie die Verbindungen des NSU nach Nordthüringen und ganz konkret nach Nordhausen aussehen, was es mit den V-Mann "Tarif" auf sich hat, wie die Rolle der Staatsorgane in diesem Fall ausgesehen hat und noch einiges mehr rund um einen der größten Skandale der Nachkriegsgeschichte wird man heute Abend im Nordhäuser Bürgerhaus erfahren können. Ab 18 Uhr spricht Frau König über den NSU und seine Verbindungen nach Nordthüringen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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